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Tales of Two Koreas

2021 AUTUMN

Eine Britin erlebt Nordkorea

Das Buch einer jungen Britin mit ehrlichen Fotos und kurzen persönlichen Essays beleuchtet die emotionalen Auseinandersetzungen einer Ausländerin in Nordkorea und hinterfragt die gängigen Vorstellungen in Bezug auf das nordkoreanische Volk.

Das Nordkorea, das eine junge Britin in den Dreißigern erlebte, war unerwartet herzlich und freundlich. Ihr rund zweijähriger Aufenthalt in Pjöngjang war nicht zu kurz, um ihre Einstellung gegenüber Nordkorea grundlegend zu ändern.

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Lindsey Miller hatte eigentlich nicht vor, über Nordkorea zu schreiben, aber nachdem sie ihre Fotos durchgeblättert hatte, fühlte sie sich gezwungen, ihre Erfahrungen und visuellen Interpretationen zu teilen.North Korea: Like Nowhere Else, eine Kompilation aus 200 Fotos und 16 Essays, wurde im Mai 2021 in London veröffentlicht.
ⓒ Lindsey Miller

Lindsey Miller, Komponistin und Musikdirektorin, begleitete ihren Mann, der für zwei Jahre (2017-2019) als Diplomat an die britische Botschaft in Pjöngjang entsandt wurde, nach Nordkorea. Die Fotos und Geschichten der Nordkoreaner, die sie während ihres Aufenthalts traf, publizierte sie im Mai 2021 als Buch. Schon der Titel des rund 200-seitigen Bandes ist ungewöhnlich: North Korea: Like Nowhere Else.

Vor ihrer Ankunft in Nordkorea hatte sie erwartet, dass Nordkoreaner gefühlskalte, roboterähnliche Wesen seien, die sich vor allem gegenüber Ausländern frostig oder gar feindlich verhalten. Aber heute, zwei Jahre nach ihrer Rückkehr nach Großbritannien, sagt sie, dass all diese Vorstellungen nur Vorurteile gewesen seien. Die Nordkoreaner, die sie kennenlernte, waren durchweg freundlich und warmherzig.

„Ausländer assoziieren Nordkorea oft voreingenommen mit Militärparaden, Massengymnastik oder Raketen, weshalb sie die Nordkoreaner für besonders streng und hölzern halten. Aber es sind Menschen wie du und ich, bei denen die Familienmitglieder einander liebevoll zugetan sind und Opa und Oma sich um die Enkel – ihr ein und alles – kümmern.“

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Auf einem ihrer Lieblingsfotos blicken junge Soldaten nach hinten in Millers Kamera. Einige winkten und warfen ihr eine Kusshand zu, was dem im Westen verbreiteten Image der steinernen Härte widerspricht.
ⓒ Lindsey Miller

Viele assoziieren mit „nordkoreanische Soldaten“ sofort das Kim Jong-un-Regime, aber für Miller waren es eher ganz normale junge Menschen Anfang 20 als Soldaten.

SPÜRBARER WANDEL
Inmitten der von Uniformität geprägten Atmosphäre der nordkoreanischen Gesellschaft spürte Miller einen kleinen Wandel. Oft waren junge Menschen in einer Aufmachung zu sehen, die man sich zuvor nie hätte vorstellen können. Einige Schulkinder trugen sogar Rucksäcke mit Disney-Figuren.

„Wer hätte sich je vorgestellt, in Nordkorea Motive von Disney, dem Kultursymbol der USA und damit des ‚größten Feindes‘ Nordkoreas, sehen zu können? Auch im staatlichen Fernsehkanal Nordkoreas sah ich Disney Animationsfilme. In mir stiegen gemischte Gefühle auf. Ich fragte mich, ob die nordkoreanischen Bürger überhaupt wussten, woher diese Sachen stammten.“

Unter ihren Fotos gefällt Miller am besten das von nordkoreanischen Soldaten, die mit einem Lastwagen unterwegs waren. Darin kommt deutlich zum Ausdruck, aus welcher Perspektive sie Nordkorea und seine Menschen betrachtet. Viele assoziieren mit „nordkoreanische Soldaten“ sofort das Kim Jong-un-Regime, aber für Miller waren es eher ganz normale junge Menschen Anfang 20 als Soldaten. Sie erinnert sich noch deutlich an den Moment, als sie dieses Foto schoss. Sie tauschte mit den Soldaten Grüße aus und einer von ihnen warf ihr einen Luftkuss zu. Alle brachen in Gelächter aus. Und Miller antwortete mit einem Luftkuss.

„Wir glauben nicht, dass so ein Alltag in Nordkorea existiert. Völlig auf die Militäruniform fixiert, vergessen wir oft die Menschen, die diese Uniform tragen. Mein Nordkorea-Aufenthalt brachte mich dazu, darüber nachzudenken, wer sie sind, woher sie kommen und wie ihr Familien- und Alltagsleben aussieht.“

KONTAKT MIT DEN BÜRGERN
Ausländer konnten sich ziemlich frei in Pjöngjang bewegen. Sie kon nten einkaufen gehen und auswärts essen. Aber im Gegensatz zu Touristen galten für Expats einige Regeln und Restriktionen: So war ihnen weder die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel wie Bus oder Taxi ohne Begleitung erlaubt, noch durften sie Nordkoreaner zu Hause besuchen.

Sie konnten sich auch nicht immer frei mit den Nordkoreanern unterhalten. Tatsächlich erlebte Miller das Überwachungssystem oft. So kam es vor, dass Menschen, mit denen sie auf der Straße ungezwungen plauderte, plötzlich ihren Gesichtsausdruck veränderten und weggingen. Wenn sie sich umsah, entdeckte sie jedes Mal einen Mann im Anzug. Auch in Geschäften in Pjöngjang waren Fremde nicht willkommen. Wenn Miller in einen Laden hereinkam, wurde ihr manchmal gesagt: „Wir haben geschlossen“, obwohl Kundschaft anwesend war.

Millers besondere Aufmerksamkeit galt den jungen Frauen in Pjöngjang, vor allem denen ihrer Altersgruppe. Mit Erstaunen nahm sie ein gewisses Umdenken in Bezug auf Liebe, Heirat und Karriere wahr.

„Jungen Frauen in Pjöngjang schienen Arbeit und Karriere wichtiger zu sein als Heirat und Kinderkriegen. Sie waren neugierig, warum ich als verheiratete Frau keine Kinder hatte. Eine Frau sagte mir, dass die langen Arbeitszeiten sie ermüdeten. Es gab auch eine, die nicht heiraten wollte. Solche Frauen gehörten allerdings der Pjöngjanger Elite an. Die meisten Menschen, die ich in Nordkorea traf, waren Oberschichtler und hatten auch viel Kontakt mit Außenstehenden.“

Miller wohnte im Bezirk Munsu-dong, einem Botschaftsviertel im Osten Pjöngjangs. Dort sind Botschaften einiger Länder und internationale Organisationen wie Hilfsorganisationen angesiedelt. Zwar ist das Viertel nicht groß und die Stromversorgung öfters instabil, aber Miller hatte keine größeren Probleme mit dem Leben dort. TV-Sendungen waren über Satellitenfernsehen zu empfangen, es gab auch Internetanschluss, der wiewohl recht langsam war. Im Botschaftsviertel befanden sich zwar internationale Schulen, aber wegen des nicht besonders anspruchsvollen Bildungsangebots bekamen die meisten Diplomatenkinder Hausunterricht.

Vor der Abreise wurde Miller geraten, die in Nordkorea gängigsten Fremdwährungen wie Dollar, Euro oder Yuan mitzunehmen. Unerwarteterweise wurden in Nordkorea aber keine etwas zerknitterten Dollarscheine angenommen. Als Miller kurz nach ihrer Ankunft an der Maut-Zahlstelle des Flughafenparkplatzes mit einem solchen Schein bezahlen wollte, lehnte man ihn als „nicht sauber“ ab. In Pjöngjang war es zudem üblich, nach dem Einkauf an der Kasse statt Wechselgeld Snacks wie Kaugummi oder Saft zu bekommen. In Kauf häusern erhielt man Wechselgeld aber auch schon mal in nordkoreanischem Won. Ausländer hatten zudem keinen Zugang zu Geldautomaten. Gingen ihnen die Devisen aus, wandten sie sich an Bekannte, die ins Ausland reisten. Viele Ausländer hoben Geld am Geldautomaten in Dandong, der chinesischen Grenzstadt zu Nordkorea, ab.

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Über einer U-BahnStation in Pjöngjang thront ein riesiges Porträt von Kim Jong-il. Bilder des verstorbenen Führers sind in der nordkoreanischen Hauptstadt allgegenwärtig.
ⓒ Lindsey Miller

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Gelassen wirkende nordkoreanische Senioren vor einem heruntergekommenen Wohngebäude. Miller interessierte sich stets für das, was Nordkoreas ältere Generationen gesehen und getan hatten und was ihre Nachfolger durchleben würden.
ⓒ Lindsey Miller

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Marschierende Soldatinnen, die für ein freundliches Winken innehalten, schmücken das Cover von Millers Buch, das die Leser dazu anregt, die Nordkoreaner als etwas um- und zugänglicher zu betrachten.
ⓒ Lindsey Miller

INTENSIVE ERINNERUNGEN
Das Gipfeltreffen zwischen Nordkorea und den USA 2018 in Singapur hinterließ bei Miller den interessantesten und nachhaltigsten Eindruck. Sie hatte bereits über die ausländischen Medien davon erfahren, aber die nordkoreanischen Staatsmedien berichteten erst einen Tag später darüber. Ihre nordkoreanischen Bekannten kamen zu ihr und wollten wissen, was vor sich ging. In Pjöngjang hingen großformatige Poster, die Trump und Kim Jong-un beim Händeschütteln zeigten und auf denen der Slogan „Wir sind eins“ prangte.

Gerüchten zu folge sollen sich die Nordkoreaner südkoreanische Popmusik anhören oder TV-Programme ansehen, aber das konnte sie nicht mit eigenen Augen und Ohren bestätigen. Wer in Nordkorea mit südkoreanischen Contents in Kontakt kommt, dem drohen Höchststrafen. Die Nordkoreaner fragten Miller, ob sie schon mal in Seoul gewesen sei, oder wie es ihr in Seoul gefallen habe. Als sie einem Nordkoreaner ein am Strand von Bali aufgenommenes Foto zeigte, meinte dieser, es sei wunderschön und betrachtete es lange. Ihre Bekannten stellten auch viele Fragen in Bezug auf die britische Kultur. Dabei schienen sie aber mit Themen wie Gleichstellung der Geschlechter oder gleichgeschlechtliche Ehen kaum etwas anfangen zu können.

Anfangs fotografierte Miller meistens Gebäude, weil deren Äußeres und Design für sie etwas Exotisches hatten. Doch schon bald verlagerte sich ihre Aufmerksamkeit auf Menschen und sie fing den Alltag der Nordkoreaner aus einem kreativen Blickwinkel ein. Es gab aber auch Momente, in denen sie aus Respekt vor den Menschen nicht auf den Auslöser drückte.

Eigentlich hatte Miller nicht vor, ein Buch zu schreiben. Aber als sie nach der Rückkehr nach Großbritannien ihre Fotos sortierte, kamen die Erinnerungen an die Zeit in Nordkorea, an ihre Erfahrungen und Gefühle wieder hoch und damit zusammen der Wunsch, sie mit vielen Menschen zu teilen. Aus 200 nicht gestellten Fotos und 16 Essays kompilierte sie ein Buch. In diesem Buch fokussierte sie sich eher auf die Menschen als auf das System oder die politische Lage in Nordkorea.

Der Titel North Korea: Like Nowhere Else hat viele Implikationen: „Auf die Frage, was für ein Ort Nordkorea ist, fiel es mir richtig schwer, eine einfache Antwort zu geben. Unter all den Orten, die ich kenne, und all den Stätten, die ich besucht habe, gibt es keinen Ort auf der Welt, der mit Nordkorea vergleichbar ist. Auch unter den Ausländern gibt es je nach Position und Rang einen klaren Unterschied zwischen dem, was sie tun dürfen, und dem, was verboten ist. Das ist auch der Grund für den Titel meines Buches.

Südkorea besuchte Miller zum ersten Mal nach ihrer Rückkehr nach Großbritannien. Weil sie davor in Nordkorea gelebt hatte, fühlte sie sich überwältigt und an der Demilitarisierten Zone zwischen den beiden Koreas wurde sie besonders von Emotionen gepackt.

Zum Abschluss des Interviews sagte sie: „Obwohl die Grenze geschlossen ist, dürfen wir nicht auch noch unser Herz gegenüber Nordkorea verschließen. Denn auch in Nordkorea leben Menschen.“

Kim Hak-soon Journalist, Gastprofessor, Korea University

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