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2022 SPRING

Yeongju, wo die Welt beginnt und endet

In Yeongju, wo zwei große Flüsse entspringen und die Erinnerung an Beginn und Ende zweier Nationen bewahrt werden, befinden sich eine geschwungene, niedrige Brücke, die das Abschiednehmen verlangsamt, und ein „schwebender“ Stein, um den sich eine geheimnisvolle Legende rankt. Folgt man der tiefen Geschichte, die in dieser von Gott gesegneten Natur schlummert, spricht einen ein Raum kostbar wie ein Juwel an.

Das Museom Dorf in Yeongju, Provinz Gyeongsangbuk-do, liegt an der Stelle, wo zwei aus dem Berg Taebaek-san hinunterfließende Flüsse sich in den Fluss Nakdong-gang ergießen. Vor dem Bau einer modernen Brücke im Jahr 1970 war dieser Holzsteg die einzige Verbindung des auf drei Seiten von Wasserläufen und auf einer Seite von Bergrücken umgebenen Dorfes.

Als ich die Landkarte vor mir ausbreitete, kam mir der Gedanke, dass die früheren Einwohner von Yeongju wohl glauben mussten, dass sie sich am Ende der Welt befänden. Die Stadt liegt im Norden der Provinz Gyeongsangbuk-do, die den südöstlichen Teil der Koreanischen Halbinsel einnimmt. Im Nordosten grenzt sie unmittelbar an die Provinz Gangwon-do, in der sich der Berg Taebaek-san erhebt, im Westen teilt sie eine lange Grenzlinie mit der Provinz Chungcheongbuk-do, wo der Berg Sobaek-san gen Himmel ragt. Die Einwohner von Yeongju dürften sich gefragt haben, was wohl jenseits der hohen Gipfel, die die Stadt nach Norden hin abriegeln, liegen mochte. Auch Auswärtige aus dem südlichen Küstengebiet der Koreanischen Halbinsel dürften, neugierig auf die Größe der Welt, ständig herbeigestörmt sein, und die Menschen haben hier wohl ihre Fantasien und Erfahrungen ausgetauscht.

Ich versuchte mir den Wasserlauf vorzustellen, der denjenigen, die sich aus dem Süden auf den Weg nach Yeongju machten, als Richtungsweiser diente: Es ist der Nakdong-gang, der längste Fluss in Südkorea. Überzeugt davon, dass sich seine Quelle in Yeongju befinden muss, suchte ich nach entsprechenden Informationen. Wie vermutet heißt es im Annex Geographie der Annalen von König Sejong (1454), dass der Nakdong-gang sich aus drei Quellen speise: dem Teich Hwangji im Taebaek-san, Chojeom (das heutige Mungyeong Saeje) im Landkreis Mungyeong und Sobaek-san in Sunheung. „Sunheung“ ist der alte Name der Gegend um Yeongju. In Yeongju befand sich aber nicht nur die Quelle des Nakdong-gang, sondern auch eine der vielen kleinen Quellen des Flusses Han-gang. Geographisch gesehen war das eine unerwartete Information, da der Han-gang von Osten nach Westen fließt und Seoul in zwei Teile teilt. Als Quelle der beiden wichtigsten Flüsse im Süden der Koreanischen Halbinsel war Yeongju in vormodernen Zeiten gewissermaßen Anfang und Ende der Welt für die Koreaner.

Spätnachmittags in Seoul aufgebrochen, kam nach zwei Stunden Autobahnbahnfahrt der Jungnyeong Tunnel in Sicht, ein 4.600 m langer Tunnel durch den Berg Sobaek-san, der die Provinz Chungcheongbuk-do im Süden mit der Provinz Gyeongsangbuk-do im Norden verbindet. Da ich wusste, dass Yeongju direkt jenseits des Tunnels liegt, wurde mir bewusst, dass ich auf dem Weg in eine andere Welt war.

Museom Dorf entstand Mitte des 17. Jh. als die fruchtbaren Böden Siedler anzogen. Heute besteht es aus an die 40 Häusern im traditionellen Stil, in denen 100 Dörfler leben. Es ist eine Clan-Gemeinde, die meisten der Bewohner stammen entweder aus dem Kim-Clan von Yean oder dem Park-Clan von Bannam.

Krummer Holzsteg
Ich fuhr zum Museom Dorf im südlichen Teil von Yeongju. Im Inneren der Bucht, um die sich der Fluss in einem weiten Bogen herumwindet, liegt auf dem Stückchen Land, das sich beulenartig wölbt und den Flusslauf wegzuschieben scheint, ein altes Dorf. Ortschaften, die unter solch topografischen Voraussetzungen entstanden, werden „Muldori-Dorf" (wörtlich ein vom Fluss oder Bach umgebenes Dorf) genannt: Der Wasserlauf umschließt hufeisenförmig Vorderseite sowie rechte und linke Seite, die Rückseite wird vom Berg umarmt, sodass das Dorf fast einer Insel gleicht. Gründe dafür, warum auf diesem gottverlassenen Stückchen Erde eine Siedlung entstand, waren wohl der geomantische Glaube, dass eine solche Topografie positive Energie ausströmt, und die weitläufigen, fruchtbaren Böden, die vielen Menschen den Lebensunterhalt sichern. Was dem Dorf heutzutage zu breiter Bekanntheit verhalf, ist der Holzsteg, der quer über den Fluss führt und die einzige Verbindung zur Außenwelt darstellt. Der Fluss ist zwar seicht genug, um ihn außer in der sommerlichen Monsunzeit problemlos zu Fuß durchqueren zu können, da man sich aber seine Kleider nicht nass machen möchte, wurde diese Brücke angelegt. Zwischen Holzsteg und Sandbank bzw. flachem Wasser dürfte nur ein knapper Meter Abstand sein. Die Breite beträgt rund zwei Spannen der Hand eines erwachsenen Mannes. Seltsamerweise verläuft die Brücke über dem Fluss nicht geradlinig, sondern windet sich in Form eines großen S. Trotz all meiner Bemühungen gelang es mir nicht, den Grund dafür herauszufinden, wichtiger ist ja ihr optischer Reiz. Dieser weckt den Wunsch, sie auf ein Foto zu bannen, um den Anblick noch lange in Erinnerung zu bewahren, sodass sich die Brücke bei vielen, sei es Frau oder Mann, alt oder jung, großer Beliebtheit erfreut und in mehreren Sendungen und TV-Serien erscheint. Kein Wunder, dass ein Gang über die Brücke auf der Checkliste unzähliger Besucher steht, mich eingeschlossen.

Ich war schon früh angekommen, um die Landschaft in aller Ruhe auf mich wirken zu lassen, bevor das Menschengedränge beginnen würde. Diesen Gedanken hatte aber nicht nur ich: Ein junges Pärchen schlenderte gemächlich über den Steg. Während ich darauf wartete, dass sich die beiden aus dem Kamerawinkel entfernten, überlegte ich, warum man diesen Holzsteg wohl in Windungen angelegt hatte. Wenn in der Regenzeit die Strömung stärker wird, soll der Steg öfters einbrechen. Heute liegt nicht weit nördlich von hier eine Brücke, die breit genug für den Fahrzeugverkehr ist, aber davor dürfte dieser Holzsteg der einzige Verbindungsweg gewesen sein. Wenn damals Teile von der starken Strömung mitgerissen wurden, müsste die Neuanlegung recht umständlich gewesen sein, zumal es an der Technologie für den Bau einer stabilen Überführung, die der anschwellenden Strömung standhalten konnte, gefehlt haben dürfte. Von daher wäre es doch nur vernünftig gewesen, einen geraden Übergang anzulegen, der nicht jedes Mal wieder erneuert werden musste, von der Materialersparnis mal ganz zu schweigen.

Ob es vielleicht bloß an der Ästhetik lag? Darüber mit schief geneigtem Kopf sinnierend überquerte ich den Steg. An einigen Stellen gab es kurze Stege gleich neben der eigentlichen Überführung. Solche Strukturen werden „Biggyeo-dari (wörtlich: Ausweich-Brücke)“ genannt. Sie ermöglichen es, zur Seite auszuweichen und Passanten aus der Gegenrichtung Platz zu machen. Einerseits bewunderte ich diese von einer vernünftigen Denkensart zeugende Struktur, andererseits verwirrte mich gerade deswegen die ineffektive Konstruktion des Stegs mit seiner langen S-Kurve.

Unter den alten traditionellen Häusern des Dorfes gibt es 16 gut erhaltene Beispiele für typische Hanok-Häuser aus der späten Joseon-Zeit. Da das Dorf der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt ist, ist die ruhige Atmosphäre eines traditionellen Gelehrten-Dorfes noch gut erhalten.

Im Dorf angelangt, fielen zuerst die gut erhaltenen Hanok ins Auge. Noch Ende des 19. Jh. war das Museom Dorf eine größere Ortschaft mit rund 120 Haushalten und 500 Einwohnern. Das Dorf brachte zahlreiche Wissenschaftler und konfuzianische Gelehrte sowie fünf patriotische Unabhängigkeitskämpfer hervor, was mir Tiefblick und Gesinnung der ersten Siedler aufs Neue eindringlich bewusst machte.

Erdpfade entlang der Steinmauern führten zur Museom Ausstellungshalle. Auf dem Hof stand ein Denkmal zu Ehren des Dichters Cho Chi-hun (1920-1968), in das eins seiner Gedichte eingraviert ist: Jeder koreanische Schüler dürfte einmal Chos Gedicht Seungmu (Der Tanz der Nonne) aufgesagt haben. Museom war der Heimatort der Familie von Chos Ehefrau, der Kalligraphin Kim Nan-hee (geb. 1922). Das Gedicht Byeolli (Abschied), das Cho während seines Aufenthaltes in Museom schrieb, wurde zum Andenken an ihn in Kims Schriftstil in einen Felsblock eingraviert. Es erzählt von einer schüchternen, frisch verheirateten jungen Frau, die versteckt hinter einer der mächtigen Säulen der Holzdiele Maru ihrem sich auf eine weite Reise machenden Ehemann nachblickt, während ihre Tränen die Brustschleife ihrer Hanbok-Tracht nässen. Vielleicht überquerte auch der Mann dieser Frau über diesen Holzsteg den Fluss. Plötzlich erschien mir die S-Form des Holzstegs plausibel: Sie erzwang ein langsames Tempo, sodass diejenigen, die fortgehen mussten, nicht einfach davoneilen konnten. Ohne die Rückkehr versprechen zu können, überquerten sie schweren Herzens mit zögernden Schritten den Steg. Sie wollten wenigstens einmal zurückblicken, da sie aber befürchteten, dass dieser Anblick den Zurückbleibenden das Herz nur noch mehr zerreißen würde, schluckten sie ihre Tränen stumm hinunter. Die Zurückbleibenden versteckten sich hinter der Säule, um ihnen den Abschied erträglicher zu machen. Zumindest verlangsamte der sich weiträumig in geschwungenen Bögen erstreckende Holzsteg das Überqueren des Flusses, was für beide Seiten ein kleiner Trost war. Ich stellte mir die Szene im Gedicht vor, wie der Ehemann mit zaghaften Schritten die Brücke überquerte. Über seinem Kopf blühten und verwelkten weiße Wolken gleichgültig, von weither herbeigewehte Blättchen blieben nicht einmal einen Wimpernschlag lang an seinen Füßen haften.

An der Passspitze angekommen, fragte ich mich, ob ich mich bei der Rückkehr nach Seoul oder beim Aufbruch von Yeongju befand. Ich entschied mich für „Aufbruch von Yeongju“, da ich über meine Erfahrungen in Yeongju mit Stolz erzählen kann und sicher noch mehrmals zurückkommen werde.

Offenes Königreich, geschlossenes Königreich
Wieder in der Stadt, besichtigte ich das Zentrum von Yeongju. In der Nähe befindet sich das Geburthaus von Jeong Do-jeon (1342-1398), eines Gelehrten, der die Blaupause für das neu gegründete Joseon-Königreich (1392-1910) entwarf. Das Haus wird „Sampanseo Gotaek (wörtlich: Historisches Haus von drei Ministern)“ genannt, da hier von der späten Goryeo-Zeit (918-1392) bis zur frühen Joseon-Zeit drei Minister gewohnt hatten. Obwohl das Haus aufgrund von Hochwasserschäden hierher verlegt und restauriert wurde, entströmt ihm nach wie vor Status und Autorität eines mächtigen Familienclans.

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Auf einer hohen Klippe am Flussufer befindet sich eine auf Seocheon hinunterblickende, in den Fels gehauene Buddha-Triade, die den Skulpturstil der Zeit des Vereinigten Silla-Reichs (676-935) gut zum Ausdruck bringt. Obwohl diese buddhistischen Felsbilder zum Zeitpunkt ihrer Entdeckung bereits beschädigt worden waren, ist der ihnen immanente starke Geist immer noch zu spüren.

In der Innenstadt von Yeongju besichtigte ich die „Straße der modernen Geschichte und Kultur“, bevor ich den sanften Hügel hinauf zum Königsschrein Sungeunjeon (wörtlich: Halle zur Verehrung der Gnade) lief. Hier wird die Namenstafel von König Gyeongsun (reg. 927-935), dem letzten König des Vereinigten Silla-Reichs, aufbewahrt. Es heißt, dass der König auf dem Weg nach Gaeseong (Kaesong), wo er dem in der Nachfolge von Silla neu gegründeten Königreich Goryeo seine Unterwerfung erklären wollte, in Yeongju haltmachte, was seine besondere Beziehung zu diesem Ort erklärt. Erst vor kurzem war ich auf einen revolutionären Denker getroffen, der ein Königreich aus der Wiege hob, jetzt traf ich auf einen tragischen König, der sein nach tausend Jahren untergegangenes Reich einem neuen Herrscher übergeben musste. Diese Entscheidung soll unvermeidlich gewesen sein, um das Leben des einfachen Volkes zu schützen. Yeongju gedenkt der barmherzigen Liebe des Monarchen und verehrt ihn als Gottheit.

Bereits früh am Morgen des nächsten Tages waren Leute auf dem Weg hinauf zum Tempel Buseok-sa unterwegs. Unter dem Namen „Sansa, buddhistische Bergklöster in Korea“ ist der Buseok-sa zusammen mit den Tempeln Tongdo-sa, Bongjeong-sa, Beopju-sa, Magok-sa, Seonam-sa und Daeheung-sa als UNESCO-Weltkulturerbe registriert. Die Leute waren gekommen, um sich einen mythischen Felsbrocken anzusehen: Der Überlieferung nach soll sich eine Frau, die in den Ehrwürdigen Mönch und Tempelgründer Uisang (625-702) verliebt war, in einen Drachen verwandelt haben und ihm ins Silla-Reich gefolgt sein, um ihm beim Tempelbau zu unterstützen. Als eine Räuberbande, die sich in der Nähe versteckt hielt, Uisang am Tempelbau zu hindern versuchte, soll sie in Form eines Felsbrockens die Räuber davongejagt und sich dann auf dem Tempelgelände niedergelassen haben. Im Jahr 676, als der Buseok-sa neben diesem legendären Felsbrocken errichtet wurde, war das Silla-Reich dermaßen mächtig und reich, dass es die rivalisierenden Königreiche Goguryeo (37 v. Chr.- 668 n. Chr.) und Baekje (18 v. Chr. - 660 n. Chr.) eroberte und die Zeit des Vereinigten Silla-Reichs einläutete. Dass der Buddhismus damals als Staatsreligion stark gefördert wurde, erklärt Größenordnung und Bedeutung des Tempels. Rund 250 Jahre später musste Silla einem neuen Reich weichen. Als ich schließlich in komplizierten Gedanken versunken die 108 Treppenstufen bewältigt hatte und vor der Murayangsujeon (Halle des ewigen Lebens), dem ältesten Holzbauwerk in Korea, stand, verschwanden die Gedanken an Aufstieg und Niedergang des Königreichs schlagartig. Links gegenüber der Halle befindet sich nämlich der schwebende Felsbrocken „Buseok“.

Laut dem zur Zeit von König Yeongjo (reg. 1724-1776) kompilierten anthropogeographischen Werk Taengniji (Führer durch Korea, 1751) soll selbst ein Seil nirgendwo hängenbleiben, wenn man es unter dem Felsbrocken hin und herzieht. Um es wissenschaftlich zu erklären: Ein Teil der Granitklippe hinter dem Buseok-sa, die aus Abschalungsklüften bestand, soll sich abgespalten, am Hang entlang gerutscht und dann auf kleineren Steinen gelandet sein, sodass der Eindruck des „in der Luft Schwebens“ entsteht.

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Der Glockenpavillon des Tempels Buseok-sa bietet einen Panoramablick auf das Tempelgelände und die sich in der Ferne erhebenden Gipfel des Berges Sobaek-san. Der Tempel wurde kurz nach der Vereinigung der Drei Königreiche durch Silla-Reich (676) gebaut. 2018 wurde er zusammen mit sechs weiteren buddhistischen Bergklöstern in die Weltkulturerbeliste der UNESCO aufgenommen.

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Der Tempel Buseok-sa besitzt zwei berühmte Pavillons: den Anyangnu (Pavillon der friedlichen geistigen Stärkung) und Beomjongnu (Glockenpavillon), die sich auf der zur Haupthalle hochführenden Zentralachse des Tempelgeländes befinden. Hier werden zweimal pro Tag die vier Zeremonialobjekte Bronzeglocke, Holzfisch, wolkenförmige Metallplatte und Trommel aufgestellt und geschlagen, um für Frieden aller fühlenden Wesen zu beten.

Ein Raum, der die Wiederholung des Kreislaufes in sich schließt
Am Nachmittag überquerte ich den in Richtung der Gangwon-Provinz verlaufenden Pass Maguryeong und besuchte das Bergdorf in Namdae-ri, bevor ich in die Gegend unterhalb des Buseok-sa zurückkehrte und die konfuzianische Akademie Sosu Seowon besuchte. Namdae-ri ist der Ort, wo der Kindkönig Danjong (reg. 1452-1455), der sechste Herrscher des JoseonReichs, auf seinem Weg ins Exil verweilt haben soll, nachdem er von seinem Onkel, König Sejo (reg. 1455-1468), vom Thron gestoßen worden war. Gerade hier in der YeongnamRegion (Region im Süden des Passes Mungyeong Saejae) befindet sich die südöstliche Quelle des Han-Flusses. Sosu Seowon, die älteste private neokonfuzianische Akademie der Joseon-Zeit, gilt als renommiertestes lokales Bildungsinstitut zur Ausbildung von Nachwuchswissenschaftlern und zählt zu den neun Stätten, die unter dem Namen „Seowon in Korea“ in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen wurden. In dieser Akademie, der ersten, der der König einen Namen verlieh, werden zahlreiche konfuzianische Größen verehrt, darunter An Hyang (1243-1306), der den Neokonfuzianismus zur Zeit des Goryeo-Reichs auf der Koreanischen Halbinsel einführte.

Der Fußweg um Sosu Seowon wird von mehreren hundert Rotkiefern gesäumt, die zwischen 300 und 1.000 Jahre alt sind. Sosu Seowon, 1542 gegründet, ist die älteste konfuzianische Privatakademie in Korea. 2019 wurde sie zusammen mit acht weiteren konfuzianischen Akademien in Korea in die Weltkulturerbeliste der UNESCO aufgenommen.

Im Tempel Seonghyeol-sa, einem in den Bergen abgeschieden gelegenen ruhigen Tempel, befindet sich der schöne alte Bau Nahanjeon (Arhat-Halle). Seine Türen schmücken exquisite Schnitzereien von Lotusblüten und Lotusblättern, Kranichen, Fröschen und Fischen.

Je mehr Orte ich in Yeongju besichtigte, desto stärker war ich von seiner Einzigartigkeit beeindruckt. Die Stadt war die Geburtsstätte eines der Gründerväter eines Reiches und zugleich die Gedenkstätte für den letzten König eines untergegangenen Reichs. Ihre prestigereiche konfuzianische Akademie brachte zahlreiche Wissenschaftler und Politiker hervor. Die Stadt war aber auch der Ort, an dem ein verbannter Kindkönig, der einem Machtkampf zum Opfer fiel, seine schmächtigen Fußspuren hinterließ. Ich hatte das Gefühl, einen großen, sich wiederholenden Kreislauf zu betrachten.

Song Sang-do (1871-1946), eine weitere Persönlichkeit, auf die Yeongju stolz sein darf, gab mir die Gelegenheit, tiefer über Ursprung und Rückkehr zu sinnieren. In Giryeo Supil (Essays von Song Sang-do), einem 1955 unter seinem Beinamen Giryeoja veröffentlichten Buch, beschreibt Song in bemerkenswerter Detailliertheit etliche Koreaner, die während der Kolonialzeit (1910-1945) den japanischen Besatzern überall im Lande Widerstand leisteten. Song soll Yeongju jeden Frühling verlassen haben, um die Hinterbliebenen von Patrioten aufzusuchen sowie Materialien wie Zeitungsberichte über Widerstandskämpfe zu sammeln, bevor er im Winter entkräftet und erschöpft nach Yeongju zurückkehrte. Als Kolonialbürger riskierte er mit seinen Nachforschungen über die Widerstandsbewegungen sein Leben, weshalb er die Geschichten, die er hier und da erfuhr, in winzigen Lettern auf Papierstücke schrieb, die er zu Zöpfen flechtete und als Tragebänder für die traditionellen Rückentragetücher nutzte. Dank dieser geschickten Tarnung wurden die Aufzeichnungen bei Kontrollen nicht entdeckt.

Die Geschichte von Song Sang-do machte mir bewusst, was für einer Einstellung es bedarf, wenn man mit einem ehrgeizigen Ziel in die Welt hinausgehen will. Da konnte auch ich bis zu einem gewissen Grad die eiserne Entschlossenheit derjenigen verstehen, die ihre Familienangehörigen in Museom Dorf zurückgelassen und den Holzsteg überquert hatten. Diese Entschlossenheit fußte auf Tolerieren und Annehmen. Ursprung von allem in der Welt und zugleich ein jenseitiger Raum, zu dem man zurückkehren kann, zu sein - das war der Geist, der Yeongju prägte.

Als ich an meinem letzten Morgen die Vorbereitungen für die Rückkehr nach Seoul traf, begleitete mich der Gedanke an den Weg des Gelehrten, der sein ganzes Leben der Entfachung des Feuers widmete, das sein Land zum Erwachen bringen sollte. Aus einer Art Schuldgefühl heraus beschloss ich, statt der bequemen Autobahn die Route in Richtung des alten Jungnyeong-Passes zu nehmen. Während ich die steile, enge und kurvige Bergstraße entlang fuhr, wollte ich den resoluten Geist und die Energie der Gelehrten spüren, die sich von Yeongju aufmachten und ihren Fuß auf diesen steilen, gefährlichen Pass zu setzen wagten. An der Passspitze angekommen, fragte ich mich, ob ich mich bei der Rückkehr nach Seoul oder beim Aufbruch von Yeongju befand. Ich entschied mich für „Aufbruch von Yeongju“, da ich über meine Erfahrungen in Yeongju mit Stolz erzählen und sicher noch mehrmals zurückkommen werde.



Kim Deok-hee Schriftsteller
Fotos Ahn Hong-beom

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