Kim Min-wook, Bae Se-jin und Yang Yoo-wan sind junge Kunsthandwerker, die stets auf die wesentlichen Werte des Kunsthandwerks bedacht sind, dennoch vor neuen Wegen nicht zurückschrecken. Für Einblicke in ihre Welt, habe ich ihre Ateliers aufgesucht, die von harter Arbeit und tiefen Gedanken zeugen.
(L) Der Holzhandwerker Kim Min-wook gleicht Unvollkommenheiten im Holz wie Wurmlöcher, natürliche Verformungen und Risse nicht aus, sondern integriert sie in seine Arbeit.
(M) Die Werke der Glashandwerkerin Yang Yoo-wan zeichnen sich durch atypische Formen und Luftblasen im Glas aus. Es sind Ergebnisse kreativer Versuche zur Überwindung technischer Schwierigkeiten.
(R) Töpfer Bae Se-jin verwendet kleine Blöcke mit Seriennummern, die seine Arbeit um eine zusätzlichen Sinn-Nuance bereichern, und setzt sie zu allen möglichen Objekten zusammen.
Kim Min-wook
Ein Holzhandwerker auf den Spuren der Zeit
Für Kim Min-wook geht es beim Holzhandwerk nicht um Design, sondern vielmehr darum, das Wesen und die Ästhetik des Holzes zu offenbaren.
Einige Werke und Materialien in Kims Werkstatt QI MINU in seiner Heimatstadt Busan. Hier werden auch maßgefertigte Möbel hergestellt.
Kim Min-wook bevorzugt Holz, an dem die Zeit sichtbare Spuren hinterlassen hat. Reizvoll ist die Unvollkommenheit, wenn Insekten kleine Löcher und Muster genagt, Regen, Wind und Trockenheit Risse und Verzerrungen hinterlassen und Pilzbefall schwarze Flecken verursacht haben. Daher manipuliert er das Holz auch auf keine Weise und setzt es bei der Lagerung dem Wetter aus, damit die Natur ungehindert zum Ausdruck kommen kann.
Wenn bei der Werkarbeit manchmal auch aus vor langer Zeit geschlagenem Holz noch Insekten herauskriechen, staunt er darüber, dass dies wohl das einzige Material ist, dass Lebewesen beherbergt. Es ist ihm ein Anliegen, mehr Betonung auf das Wesen des Holzes als auf Design und Funktion zu legen. Da sich die Beschaffenheit des Holzes ihm erst nach dem Entfernen der Rinde offenbart, bevorzugt er die Arbeit mit Holzdrehmaschinen, die ein schnelles Vorankommen ermöglichen. Obwohl dies durch mögliche Verformungen und Schäden die Arbeit schwieriger machen kann, genießt er doch solche Prozesse an sich.
Kim Min-wook schält die individuelle Geschichte eines jeden Holzstückes heraus – der Rest ist Aufgabe der Natur. Nach dem ersten Arbeitsschritt trocknet das Holz nämlich im Freien und erlebt weitere Veränderungen. Die Risse werden tiefer oder es treten Neigungen in bestimmte Richtungen auf. Der Künstler beobachtet diesen Prozess und greift, wenn zu starke Deformierungen drohen, mittels kleiner Metallstücke ein. Auf diese Weise kann er jederzeit die Veränderungen des Holzes maßhaltend regulieren.
2019, im neunten Jahr seiner Künstlerkarriere, wurde Kim einer der vier Preisträger des Lexus Creative Master Award, einer Auszeichnung von Lexus Korea, die sich der Suche und Förderung neuer Handwerkskünstler verschrieben hat. Und 2022 zählte er zu den Finalisten des Loewe Foundation Craft Prize. Trotz dieser Erfolge scheut Kim die Bezeichnung „Künstler“. Er sieht sich lediglich als Vermittler von Geschichten, die das Holz zu erzählen hat.
Eigentlich hatte er Modedesign studiert, um Maßanzüge anzufertigen, doch als er des Lebens in Seoul überdrüssig wurde, plante er einmal, auszuwandern. Für den Lebensunterhalt nach der Auswanderung lernte er Tischlerei. Und etwa drei Jahre stellte er in Ilsan, Gyeonggi-do, Möbel her, bis er sich schließlich in seiner Heimat Busan dem Kunsthandwerk zuwandte. Mittlerweile wird seine Arbeit in verschiedenen Select-Shops angeboten und es hat sich sogar eine Fangemeinschaft gebildet.
Auch heute noch nimmt er Tischler-Aufträge an. Dann schlüpft er in die Rolle eines Designers und stellt Maßanfertigungen her. In keiner der beiden Arbeitswelten versucht er, seinen Willen durchzusetzen. Als Künstler lässt er das Holz für sich sprechen und als Designer hört er auf die individuellen Kundenwünsche. Dennoch träumt er davon, irgendwann doch „etwas von seinen eigenen Gedanken“ ins Holz fließen lassen zu können. Aus Angst, dem Ego zu viel Raum zu geben, verschiebt er dieses Ziel aber auf unbestimmte Zeit.
Kim, der sich im Selbststudium die Holzarbeit angeeignet hat, gelangte 2022 mit seiner Arbeit Instinctive aus Eichenholz auf die Liste der Finalisten des Loewe Foundation Craft Prize.
Mit freundlicher Genehmigung des Seoul Museum of Craft Art
Bae Se-jin
Ein Töpfer mit Arbeitseifer
Bae Se-jin stellt kleine Blöcke her und drückt Seriennummern auf, mit denen dann verschiedene Objekte geschaffen werden. Bislang ist er in den letzten 15 Jahren auf fast 346.000 Blöcke gekommen, ein Beweis für seine Hingabe an die Arbeit.
Am fertigen Produkt lässt sich die vom Handwerker aufgewendete Arbeit und Zeit ablesen. Schwindeleien werden nicht toleriert. Dieses Prinzip gilt auch für den Töpfer Bae Se-jin. Er stellt plastische Objekte her, indem er kleine Blöcke mit Seriennummern versieht und aneinanderreiht, manchmal aber auch gemäldeartig flache Arbeiten. Mit den Nummerierungen fing er 2008 während des Studiums an und hat nun die 346.000 erreicht.
1999 begann er am College of Fine Arts der Seoul National University, hatte jedoch Schwierigkeiten, sich in das Universitätsleben einzugewöhnen. Nur die Aktivitäten im Theater-Club boten ihm eine Abhilfe. Weil er aber sein Studium selbst finanzieren musste, nahm er Urlaub und arbeitete für eine Webdesign- und eine Ausstellungsdesign-Firma, außerdem machte er Werbearbeit für eine Theatergruppe. Letzteres brachte ihm zwar nicht viel Geld ein, dafür genoss er die abendlichen Theaterbesuche. Erst mit 27 Jahren kehrte er an die Universität zurück.
Die Töpferei unterscheidet zwischen der Töpferscheibe, der Gussmethode und der Handbau-Technik (Platten- und Wulst-Technik). Es ist üblich, die Arbeitsweise beim Lernen verschiedener Techniken ständig zu ändern. Bae konzentrierte sich aber früh auf eine Methode, die er für die Erzählung seiner persönlichen Geschichte am geeignetsten hielt. Einmal lobte ihn ein Student im höheren Semester beim Vorbeigehen für seine Arbeit mit der Plattentechnik. Nach diesen Worten entschied er sich für die Laufbahn eines Töpfers.
Je größer seine Freude am Töpfern wurde, desto größer erschien ihm das Problem der „Zeit“. Beim Trocknen oder Brennen konnte der Töpfer keine Kontrolle über sie haben. Es war eine Frage der unüberwindbaren physikalischen Zeit. Doch die Lösung für dieses Problem war wiederum die Zeit: Er kam zu dem Gedanken, seiner dem Schicksal der Zeit unterliegenden Arbeit selbst einen Sinn zu geben. Er begann, kleine Blöcke zu erstellen und jedem Block eine Seriennummer aufzudrücken. Die Nummern im Werktitel stellen die Seriennummern der eingesetzten Blöcke dar.
Bestandteil des Titels ist stets auch der Name seines Lieblingstheaterstücks: Waiting for Godot (Warten auf Godot). Voller Ungewissheit warten hier die Protagonisten auf einen Unbekannten. Dies gleicht der Töpferei, bei der man bange den Brennvorgang abwarten muss, ohne genau zu wissen, was genau kommt.
Bae Se-jin betreibt in Pil-dong, Seoul, eine Werkstatt und bietet seit sieben Jahren Töpferkurse für Laien an, denn allein durch den Verkauf ihrer Werke ist es für junge Künstler schwer, den Lebensunterhalt zu verdienen. Bae verfolgt aber inzwischen eine neue Strategie. Damit das Kunsthandwerk lange ausgeführt werden kann, muss es mehr Menschen geben, die es auch zu schätzen wissen. Er sieht es als seine Berufung an, qualitativ hochwertige Bildungsinhalte zur Töpferei zu entwickeln. Denn das handwerkliche Ökosystem kann erst aufrechterhalten werden, wenn es auch genügend anspruchsvolle Verbraucher gibt.
WFG 282260-284565_1. 2019. 33 cm × 33 cm × 35 cm. Werke von Bae kennzeichnet das Kürzel „WFG“, das für den Titel seines Lieblingstheaterstücks Waiting for Godot (Warten auf Godot) steht. So soll die Ungewissheit ausgedrückt werden, die ein Töpfer während des Trocknens oder Brennens von Ton empfindet.
Bae bietet in seiner Werkstatt in Pil-dong, Seoul, Töpferkurse für die breite Öffentlichkeit an. So trägt er dazu bei, dass in Zukunft das Ökosystem des Kunsthandwerks von genügend Menschen unterstützt wird.
Yang Yoo-wan
Eine experimentierfreudige Glashandwerkerin
Seit einigen Jahren werden immer mehr junge Kunsthandwerker bekannt, die sich über die Grenzen zwischen Kunst und Design hinwegsetzen. Sie schaffen Kunstwerke mit Akzent auf Individualität, designen aber auch Produkte für große Marken oder den Massenmarkt. Die Glaskünstlerin und Chefin des Designstudios Mowani Glass Yang Yoo-wan ist eine von ihnen. Sie kreiert ihren eigenen Kunstkosmos, erhält aber auch Design-Anfragen aus den Bereichen Beauty, Wohnen und Essen u. a., und passt ihren Stil der jeweiligen Marke an.
Ihre mit der Blastechnik hergestellten Arbeiten zeichnen atypische Formen, Kombinationen verschiedener Materialen und Luftblasen im Glas aus. Ihre Stärken sind eigentlich die kreativen Umwandlungen ihrer Schwächen. Die Glashandwerker führen Luftblasen auf mangelndes Geschick zurück und halten Waren mit ihnen für Ausschuss. Aber Yang, die Luftblasen nicht ganz vermeiden konnte, machte aus der Not eine Tugend und begann, absichtlich viele zu erzeugen, um daraus Muster zu entwickeln. Die atypischen Formen haben einen ähnlichen Hintergrund. Wie etwa die Mondtopf-Keramik (Dal-Hangari aus der Jeoseon-Zeit) mit ihrer Rechts-Links-Asymmetrie sind unregelmäßige Formen ein visuelles Vergnügen, da je nach Betrachtungswinkel einen anderen Eindruck vermitteln.
Yang experimentiert auch mit Materialien wie Holz, Keramik und Metall. Während ihres Studiums fertigte sie Keramikgefäße mit Glasdeckeln an, dank derer sie an der Mailänder Designwoche teilnehmen und ihre Werke in der Mint Gallery sowie Saatchi Gallery in England ausstellen durfte. Diese Erfahrung spornte sie an, nach eigenen, differenzierten Methoden zu suchen, Glas mit anderen Materialien zu kombinieren oder durch Glasur-, Lack- oder Kupferfolientechnik Farben auszudrücken.
Auch bei Marken-Kooperationen ist ihr Name oft zu finden. Der Umsetzungsprozess der Kundenwünsche dient ihr als Chance zum Gewinn neuer Ideen. So was es auch bei den Pendelleuchten des BOONTHESHOP in Cheongdam, dessen Gebäude der weltberühmte Architekt Peter Marino entworfen hat. Um riesige von der Decke hängende Lampen, bestehend aus jeweils sieben Glasstangen-Bündeln voller Luftblasen, zu erschaffen, musste sie ihr ganzes Fachwissen einsetzen und Lösungswege für Probleme finden. Ein anderes Mal sollte sie für die Spa-Marke Swiss Perfection mit Glas die Illusion von Wasser erzeugen. Das Ergebnis konnte dann weiterentwickelt und auf Teller und Saucenschalen angewandt werden.
Die Marke Mowani Glass von Yang Yoo-wan besitzt ein Massenproduktionssystem. Alleine könnte sie ihre vielen Projekte nicht stemmen, weshalb sie stets die Wichtigkeit von Teamwork betont. Das Fundament für ihre Arbeit hatte sie in ihrem Studium für Industriedesign gelegt. Ursprünglich wollte sie Autodesignerin werden, begegnete dann zufällig dem Glashandwerk und wurde schließlich hauptberuflich Künstlerin. Sie besitzt die Programmierfähigkeiten eines Designers, die Freude an verschiedenen Materialien und die Geschicklichkeit eines Kunsthandwerkers. Sie plant, ein Designstudio mit Fokus auf Glasarbeit zu führen und sich mit der Blastechnik im Bereich Glasrequisiten, Möbel, aber auch Raumgestaltung zu versuchen.
Yang Yoo-wans Werkstatt hat ein Wohnzimmer zum Entspannen. Eine Wand des Wohnzimmers ist mit einigen ihrer Werke und Reiseandenken gefüllt – Gegenstände, die ihr positive Energie schenken.
Vasen auf einem Tisch in Yangs Werkstatt.
Park Eun-young freiberufliche Schriftstellerin
Fotos Lee Min-hee