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Art Review

2021 SPRING

CULTURE & ART

KUNSTKRITIK Abstraktion des Alltags

Die Installationskünstlerin Haegue Yang (geb. 1971), die von ihren Standorten Berlin und Seoul aus international tätig ist, interpretiert alltägliche Haushaltsgegenstände auf unterschiedlichste Weise. Ihre jüngste Ausstellung im National Museum of Modern and Contemporary Art (MMCA) in Seoul beleuchtet die fortwährende Erweiterung ihrer Genre-herausfordernden Kühnheit, die sie beim Nachsinnen über neue thematische Herausforderungen entwickelt.

Haegue Yang verwendet in ihren Werken oft alltägliche Gegenstände wie Wäscheständer, Jalou-sien und Glühbirnen. Für ihre wegweisende, 2009 im Koreanischen Pavillon der der Biennale di Venezia vorgestellte Installation Sallim (dt.: Haushaltsführung) schuf sie eine Küche aus Stahlgerüst, Ventilatoren und Strickgarn. Seitdem sind ihre Arbeiten an verschiedenen Orten weltweit zu sehen, darunter auf der Documenta in Kassel und im Centre Georges-Pompidou in Paris.

Yangs Multimedia-Installationen bestehen normalerweise aus gewöhnlichen Haushaltsobjekten, die sie – auf verschiedenste Weise abgeändert und ergänzt – oft vor digitalen Tapeten mit Grafikdesign präsentiert. Ihre jüngsten Werke, für die sie Images, die in keinerlei Bezug zueinan-der stehen, auf komplizierte Weise miteinander verwoben hat, erscheinen manchmal geradezu „intellektuell überanspruchsvoll“. Daher auch die Kritik, dass die Bilderdichte zu hoch sei, um sie auf einen Blick aufnehmen zu können. Yang erklärt dazu diese spezifische Qualität sei ein charak-teristisches Merkmal ihrer Arbeiten.

Haegue Yang nahm im Januar 2019 an der Eröffnungsausstellung der Taipei Dangdai Kunstmesse im Taipei Nangang Exhibition Center teil. Durch den Einsatz unterschiedlicher Medien wie Installation, Skulptur, Video, Fotografie und Klangbilder bringt sie bestimmte historische Figuren oder Alltagsobjekte in einer abstrakten, Gestaltungssprache zum Ausdruck.

Silo of Silence – Clicked Core, 2017. Aluminium-Jalousien, pulverbeschichtetes Aluminium, hängende Stahlstrukturen, Stahldrahtseile, Drehbühne, LED Röhren, Kabel. 1105 × 780 × 780 cm. Das KINDL – Zentrum für Zeitgenössische Kunst in Berlin lädt jedes Jahr einen Künstler dazu ein, ein Werk in der 20m hohen Halle des Boiler House zu präsentieren. Diese Installation von Hague Yang wurde von September 2017 bis Mai 2018 ausgestellt.

Ein Objekt, verschiedene Interpretationen
Ihre jüngste Ausstellung MMCA Hyundai Motor Series 2020: Haegue Yang – O2 & H2O (29. 9. 2020 - 28. 2. 2021) im Nationalmuseum\ für Moderne und Zeitgenössische Kunst ist keine Ausnahme. Beim Betreten der Ausstellungshalle ist als erstes die großformatige Installation Silo of Silence-Clicked Core (2017) zu sehen, deren Titel schon rätselhaft anmutet. Das Exponat hat die Form eines elf Meter hohen Mobiles aus Jalousien und Beleuchtungskörpern. Dunkelblaue und schwarze Jalousien kreisen in ihren jeweiligen Bahnen. Die Besucher können das Exponat von weitem und von unten betrachten, was ein Raumerlebnis der ganz besonderen Art ermöglicht.

Die Jalousien sind dieselben, die Yang bereits für ihr bekanntestes Werk, die Serie Sol LeWitt Upside Down (2020) verwendete, das weiter hinten in der Halle zu sehenist. Dieses aus weißen Jalousien bestehende Exponat ist stark minimalistisch geprägt, wie schon der im Werktitel enthaltene Name des amerikanischen Konzeptkünstlers Sol LeWitt andeutet. Der Besucher mag sich daher vielleicht fragen, welche Bedeutung dem Wiederaufgreifen des minimalistischen Stil der Vergangenheit zukommt.

Was die Jalousien betrifft, sagte Yang einmal, dass „einige sie als westlich, andere als östlich bezeichnen.“ Je nach Perspektive mag der Betrachter sie mit einem Büroraum im westlichen Stil oder mit asiatischen Bambusrollos assoziieren. Auch in anderen Werken manifestiert sich Yangs Absicht, zu zeigen, wie unterschiedlich die Wahrnehmung ein und desselben Objekts je nach Kontext sein kann.

Ein Blick auf Ornamente und Abstraktion, Yangs erste Soloaustellung in Lateinamerika, 2017 veranstaltet in der Kunstgallerie Kurimanzutto in Mexico City. Zu sehen waren folgende Werke: The Intermediate – UHHHHH Creature Extended W. 2017. Kunststroh, pulverbeschichtete hängende Stahlstruktur, pulverbeschichteter Stahlrahmen, Stahlseile, Neoseul, Bupo. 580 × 750 × 60 cm.
Big-eyed Tongue-tied Mountains beneath Solar and Lunar Orbs – Trustworthy #315. 2017. Verschiedene Sicherheitsumschläge, Millimeterpapier, Origamipapier und Sandpapier auf Pappe, gerahmt, selbstklebender Vinyl Film. 11 Teile. 86.2 × 86.2 cm; 57.2 × 57.2 cm; 29.2 × 29.2 cm.
Sol LeWitt Upside Down – K123456, Expanded 1078 Times, Doubled and Mirrored. 2017. Aluminium- Jalousien, pulverbeschichtete Aluminium- Hängestruktur, Stahldratseile, fluoreszierende Röhren, Kabel. 878 × 563 × 1088 cm.

Ineinander fließende Grenzen
In Halle 5 ist an exponiertester Stelle die Serie Sonic Domesticus (2020) installiert. Die hauptsächlich aus Kunststroh und Kunststoffschnüren gefertigten Werke wirken auf den ersten Blick wegen der daran angebrachten Metallglöckchen wie bizarre Kreaturen. Bei näherem Hinsehen entpuppen sie sich als Bügeleisen, Computermäuse, Haartrockner und Kochtöpfe.

Mit ihren Jalousien-Werken, die die Grenzen zwischen Ost und West ins Visier nehmen, erkundet die Künstlerin die Grenzen zwischen Lebendigem und Leblosem. Aus einem Fön wird eine Krabbe, aus zwei aufeinander gestapelten Computermäusen ein Insektenkörper. Zwei zusammengefügte Bügeleisen bilden eine Schere. Die Exponate stehen auf Rädern und produzieren Geräusche, wenn sie bewegt werden.

An der Wand auf der rechten Seite der Serie sind in nonagonaler Anordnung vier Arten von Türknäufen angebracht. Der angestrebte Effekt ist hier ähnlich: Ein an der Wand befestigter Türknauf verliert in einem fremden Kontext seine ursprüngliche Funktion des Öffnens einer Tür. Durch diese sich je nach Kontext verändernde Bedeutung von Objekten scheint die Künstlerin das Interesse der Besucher wecken zu wollen.

Diese Strategie wurde jedoch schon vor hundert Jahren von dadaistischen Künstlern angewandt. Lange bevor Yang aus zwei Bügeleisen die Form einer Schere kreierte, schuf bereits 1921 der bildende Künstler Man Ray (1890-1976) Cadeau, ein Werk, bei dem er Reißnägel an die Sohle eines Glätteisens gepinnt hatte, um dessen Funktion und Bedeutung nichtig zu machen. Geht man noch weiter zurück, erinnert Yangs Werk auch an Marcel Duchamps Fountain (1917), ein in ein Kunstmuseum gebrachtes Urinal.

Zweifelsohne sticht heutzutage in internationalen Kunstkreisen die Tendenz hervor, unabhängig vom kunstgeschichtlichen Zeitalter freie Ideenanleihen zu machen. Beispielsweise übernimmt und abstrahiert die britische Malerin Cecily Brown (geb. 1969) Gemälde aus der Zeit vor dem 19. Jh., und David Hockney (geb. 1937) spielt offen auf die Werke seines Idols Picasso an. In Bezug auf Yang, die Konzeptkunst adaptiert, fragt man sich dann: Wie sieht wohl die ihr ureigene künstlerische Stimme aus?

Hatte Yang in der Vergangenheit die Grenzen zwischen Ost und West, zwischen belebten und unbelebten Objekten erforscht, so scheint sie jetzt die Trennung von Realem und Virtuellem, zwischen Echtem und Unechtem zu hinterfragen.

Auf der MMCA Hyundai Motor Series 2020: Haegue Yang – O2 & H2O, zu sehen vom 29. September 2020 bis 28. Februar 2021, stellte Yang neue Kunstformen vor, darunter eine Replikation ihrer Stimme mittels Künstlicher Intelligenz und eine digitale Collage auf Bannern.
(Links) Genuine Cloning. 2020. KI (Typumwandlung), Haegue Yangs Stimme, Lautsprecher. Variable Abmessungen. Technologie von Neosapience.
(Rechts) Five Doing Un-Doing. 2020. Wasserbasierter Tintenstrahldruck auf Polyester-Bannern, Werbeballons, Ösen, Stahldrahtseile, Hanji-Maulbeerbaumpapier. Variable Abmessungen. Graphiken von Yena Yoo.

In dieser Werkserie hat Yang hybride Gefäße geschaffen, indem sie Alltagsgegenstände wie Bügeleisen, Haartrockner, Computermäuse und Töpfe zusammengesetzt oder miteinander verbunden hat.
Sonic Domesticus. 2020. Pulverbeschichteter Stahlrahmen, pulverbeschichtete Netze, pulverbeschichtete Griffe, Formgießer, Schwarzkupfer und kupferbeschichtete Glocken, Rotstahl und Stahlglocken, Metallringe, Plastikschnüre. Von links:
“Sonic Domesticus – Scissor Pressing.” 208 × 151 × 86 cm.
“Sonic Domesticus – Blow-Dry Crawl.” 155 × 227 × 115 cm.
“Sonic Domesticus – Clam Tongs.” 291 × 111 × 97 cm.
“Sonic Domesticus – Pot Atop.” 224 × 176 × 122 cm.

Realität und Abstraktion
Diese Stimme manifestiert sich vielleicht am deutlichsten in Five Doing Un-Doing, einer Collage mit digitalen Bildern auf Bannern, und Genuine Cloning, einer Sammlung von Lautsprechern, aus denen eine KI-generierte Stimme dringt.

In Bezug auf Five Doing Un-Doing erklärt die Künstlerin, dass für dieses Werk „die intensiven, an politische Propaganda erinnernden lauten Grafiken und die übertriebene Typografie“ charakteristisch seien. Auf den fünf Bannern stehen die Namen der fünf Elemente (Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser), symbolisiert durch die Farben der fünf Himmelsrichtungen (blau, rot, gelb, weiß und schwarz). Der untere Rand der Banner ist geschmückt mit quasten-artigen, aus dem traditionellen Maulbeerbaumpapier Hanji nachgebildeten schamanistischen Utensilien. Diese Installation scheint im engen Zusammenhang mit dem Ausstellungstitel O2 & H2O zu stehen. Yang erklärt, sie habe den Fokus auf die Symbolisierung der überall im Alltag vor-handenen Elemente Luft und Wasser als „O2“ und „H2O“ gelegt. Man könnte es so verstehen, dass sie die Realität, abstrahiert auf fünf Elemente, auf ihre ganz eigene Weise zum Ausdruck gebracht hat.

Genuine Cloning ist eine Installation aus zwischen fünf Bannern aufgehängten Lautsprechern. Daraus fließt die mittels KI-Technologie geklonte Stimme der Künstlerin. Hatte Yang in der Vergangenheit die Grenzen zwischen Ost und West, zwischen belebten und unbelebten Objekten erforscht, so scheint sie jetzt die Trennung von Realem und Virtuellem, zwischen Echtem und Unechtem zu hinterfragen.

Zwischen Berlin und Seoul
Haegue Yang, 1971 in Seoul geboren, zog 1994 nach Frankfurt, wo sie die Städelschule, eine Hochschule für Bildende Künste, abschloss. Seit 2005 lebt und arbeitet sie zwar in Berlin, eröffnete aber 2014 auch ein Kunstatelier in Seoul und pendelt seitdem zwischen den beiden Städten. 2018 erhielt sie als erste asiatische Künstlerin den Wolfgang-Hahn-Preis, was für einige Furore sorgte.

Im letzten Jahr waren ihre Werke trotz der Covid19-Pandemie in vielen Ecken und Enden der Welt zu sehen: so z. B. in der anlässlich der Wiedereröffnung des Museum of Modern Art (MoMA) in New York veranstalteten Ausstellung Handles (21. 10. 2019 - 28. 2. 2021) und in der Ausstellung Strange Attractors (24. 10. 2020 - 3. 5. 2021) in der Tate St Ives im britischen Cornwall.

Die MMCA Hyundai Motor Series, die 2014 mit den Skulpturen und Installationen der Künstlerin Lee Bul ihren Anfang nahm, ist ein jährlich veranstaltetes Event des MMCA zur Unterstützung führender Künstler. Die diesmalige Ausstellung ist Yangs erste Soloausstellung im MMCA.

Kim Min Journalistin, Tageszeitung DongA Ilbo

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