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2022 SUMMER

Yeogwan: Geburtsort von Kultur und Kunst

Ein Yeogwan erinnert den einen an eine angenehme Nachtruhe, den anderen an schwierige Zeiten. Schöpferischen und leidenschaftlichen Künstlern, Dichtern und Schriftstellern dienten sie auch als Wiege des Schaffens. Diese Gasthäuser, die im letzten Jahrhundert das Leben der einfachen Menschen begleiteten, sind heutztage fast ausgestorben, die wenigen, die überlebten, erzählen von alten Zeiten.

Der Flur im zweiten Stock des Boseong Yeogwan, das als Nationales Kulturerbe Koreas gelistet ist. Das Gasthaus ist einer der Hauptschauplätze von Taebaek Mountain Range (Taebaek sanmaek), eines epischen Romans von Jo Jung-rae.

Yeogwan, Koreas erste moderne Gasthäuser, kamen nach 1876 auf, als das Land seine Häfen öffnete. In der Nähe der Vertragshäfen (Gaehangjang), der neu geöffneten Häfen in Städten wie Busan, Wonsan oder Incheon, entstanden Gasthäuser, die meist von Japanern betrieben wurden und deren Gäste ebenfalls meistens japanische Reisende waren. Erst 20 Jahre später drangen Koreaner ins Gasthauswesen ein, in den 1900er Jahren erschienen die ersten Yeogwan in Seoul. Ihre Zahl wuchs während der japanischen Kolonialzeit (1910-1945), Hauptstandorte waren Städte mit guter Verkehrs- oder Telekommunikationsinfrastruktur oder beliebte Touristen- und Erholungsorte. Anfangs gab es in den Gasthäusern oft eine Kneipe, aber um die 1920er Jahre etablierten sich dann allmählich Yeogwan im heutigen Sinne. In den in Seoul besonders gefragten Yeogwan gab es sogar in jedem Zimmer einen Telefonapparat.

Ein Gasthaus ist ein Ort, in dem sich Menschen einquartieren. Man kann nur eine Nacht übernachten, nicht wenige logieren aber auch längerfristig dort. Bleibt man länger, können sich Beziehungen verschiedenster Art entwickeln und allerlei Geschichten ansammeln, u. a. auch Geschichten mit Bezug zu Literatur und Kunst.


Seo Jeong-ju und Boan Yeogwan
Im November 1936 erschien die erste Ausgabe von Siin Burak (Dichterdorf), der Literaturzeitschrift eines Dichterkreises. Es war keine Zeitschrift mit einer besonderen literarischen Identität oder Richtung. Und da es bereits nach Erscheinen der einen Monat später veröffentlichten zweiten Ausgabe eingestellt wurde, erregte es keine große Aufmerksamkeit. Aber da Schriftsteller wie Kim Dongni, Yu Chi-whan und Kim Kwang-kyun, die daran mitgewirkt hatten, sich später als Rückgrat der koreanischen Literatur etablierten, wurde ihr ihre literaturgeschichtliche Bedeutung zuerkannt. Die Mitglieder des Siin Burak nannte man „Dichtergruppe des Lebens“, da sie größeren Wert auf die Erforschung des menschlichen Geistes und des Menschenlebens an sich legten als auf eine Literatur, die nach verfeinerten Techniken, stilistischer Raffinesse oder Feingefühl strebt.

Redakteur und Verleger der Erstausgabe war der damals erst 21-jährige Dichter Seo Jeong-ju (So Cheong-ju, 1915-2000), der an der Central Buddhist Professional School (heute: Dongguk University) studierte. Im Nachwort der ersten Nummer schrieb er: „Wir entscheiden uns für den Aufbau eines lebendigen und jungen Dichterdorfes an einem Ort, auf den die Sonne direkt scheint. Ein Ort, an dem man auf die lange Vergangenheit zurückblicken und zugleich in die ferne Zukunft vorausblicken kann …“

Diese Passage zeugt von Selbstbewusstsein und Schaffensdurst der jungen Dichter. Auf der letzten Seite der Erstausgabe standen unter dem Impressum Publikationsinformationen wie Verleger, Drucker, Druckerei, Verlag, Seitenzahl und Preis. Allerdings wurde als Anschrift von Seo Jeong-ju „Tongui-dong 3“ genannt, die Adresse des Gasthauses Boan Yeogwan, in dem er sich damals aufhielt. Dieses Gasthaus soll gegen Anfang der 1930er Jahre eröffnet worden sein. Seo Jeong-ju wohnte hier längere Zeit, während er Gedichte schrieb und an der Zeitschrift arbeitete. Als das bekannt wurde, strömten angehende Schriftsteller aus den Provinzen nach Seoul, um längerfristig in Boan Yeogwan zu logieren und ihre Träume zu verwirklichen.

Die Buchhandlung Boan Bookstore im zweiten Stock des neuen Nebengebäudes des Boan Yeogwan. In diesem historischen, wohl in den frühen 1930er Jahren entstandenen Bau hielt sich der Dichter Seo Jeong-ju längere Zeit auf, schrieb Gedichte und plante die Herausgabe einer Literaturzeitschrift.
© Everyday Practice

Sudeok Yeogwan, ein strohgedecktes Hanok in ㄷ-Form, war eine vorübergehende Bleibe für die Schriftstellerin und Maler in Na Hye-sok. Später wurde es von dem Künstler Lee Ung-no aufgekauft, der es als Mittel zur Deckung der Lebenshaltungskosten und als Atelier nutzte.
© gettyimagesKOREA


In den 1970er und frühen 1980er Jahren, als in Korea noch eine nächtliche Ausgangssperre herrschte, haben hier manchmal auch Mitarbeiter des Blauen Hauses (bis zum 9. Mai 2022 Sitz und Residenz des Staatspräsidenten Südkoreas) übernachtet. Zu der Zeit wurde das Blaue Haus und der Palast Gyeongbok-gung von Sicherheitseinheiten bewacht, für deren Soldaten Boan Yeogwan ein beliebter Treffpunkt war. An Tagen, an denen viele Angehörige oder Freunde die Soldaten besuchten, soll der Duft von Brathähnchen, die beliebte Mitbringsel waren, durch alle Räume gezogen sein. Bis zur Verlegung des Nationalmuseums nach Yongsan übernachteten auch Mitarbeiter des Museums, das sich damals noch auf dem Gelände des Gyeongbok-gung befand, in Boan Yeogwan, wenn sie wegen Ausstellungsvorbereitungen bis spät in die Nacht arbeiteten.

Boan Yeogwan befindet sich auch nach seiner Schließung noch am selben Ort in Tongui-dong, gegenüber dem Tor Yeongchu-mun am Rande der Straße zum Blauen Haus. Das Schild mit seinen blauen Lettern und dem für Badehäuser üblichen Piktogramm aufsteigender weißer Dampfschwaden hat etwas Nostalgisches. Das vor seiner Schließung jahrzehntelang als Gasthaus benutzte Gebäude wurde zunächst von der Stiftung Ilmaek Cultural Foundation aufgekauft und als Galerie verwendet, bevor es 2017 schließlich als komplexer Kulturraum unter dem Namen „Boan 1942“ wiedergeboren wurde. Mit seinen verschiedenen Räumlichkeiten, darunter ein Café, eine Buchhandlung und ein Projektraum, gilt es heute als Wahrzeichen des Viertels Seochon.

In Boan Yeogwan trifft man auf eine Innenstruktur, bei der die Decke entfernt und das Holzgerüst in seiner Originalform freigelegt wurde, um den Effekt einer Kunstausstellung zu erzeugen: die Holzstrukturelemente, die in der Luft zu schweben scheinen, die verhedderten Drähte und Isolatoren an der Decke, die verblasste, hier und da gerissene Tapete, hinter der die gelbe Lehmwand hervorlugt, das anlässlich des Richtfests angefertigte Sangyangmun (Aufzeichnung von Datum, Dauer, Geschichte und Anlass des Baus eines Holzgebäudes) aus der japanischen Kolonialzeit usw. Auch der Fensterblick auf den Palast Gyeongbok-gung, der sich hinter dem Tor Yeongchu-mun erstreckt, ist reizvoll.

Na Hye-sok, Lee Ung-no und Sudeok Yeogwan
In Yesan, Provinz Chungcheongnam-do, befindet sich der historische Tempel Sudeok-sa. Die gegen Ende des Baekje-Reichs (18-660 v. Chr.) errichtete Tempelanlage ist für ihre 1308 während der Goryeo-Zeit erbaute Haupthalle (Daeungjeon) bekannt. Diese als Nationalschatz unter Denkmalschutz stehende Halle ist einer der ältesten Holzbauten Koreas. Neben dem Ilju-mun, dem ersten Eingangstor, befindet sich das nach dem Tempel benannte Sudeok Yeogwan, das ebenfalls Geschichten über Künstler aus vergangenen Tagen erzählen kann.

Ende 1937 besuchte die Schriftstellerin und Malerin Na Hye-sok (1896-1948) den Tempel Sudeok-sa, um ihre Freundin Kim Il-yeop (1896-1971) zu treffen, die einige Jahre zuvor buddhistische Nonne geworden war. Na wollte Kim bitten, ihr dabei zu helfen, eine Nonne zu werden. Die gleichaltrigen Freundinnen hatten vieles gemeinsam: Beide wuchsen in modernen, aufgeklärten Familien auf und besaßen herausragendes Talent sowie künstlerisches Gespür. Während ihres Studiums in Japan hatten sie sich angefreundet und wurden zu Ikonen des Ideals der modernen Neuen Frau, die Gleichberechtigung und freie Liebe anstrebte.

Boseong Yeogwan spielte in der Moderne und Gegenwart Schlüsselrolle in der Geschichte von Beolgyo. In Anerkennung seines Status wurde das Gasthaus 2004 als Kulturgut registriert.

Eine Ausstellung alter Lehr- und Kinderbücher im Café im ersten Stock von Boseong Yeogwan weckt Erinnerungen an vergangene Zeiten.


Allerdings kam die Welt den Frauen, die ihrer Zeit voraus waren, nicht großzügig entgegen. Kim Il-yeop zog sich nach einigen Liebesbeziehungen und Trennungen 1928 in die Berge zurück und trat 1933 als Nonne in den Tempel Sudeok-sa ein. Auch Na Hye-sok scheiterte an den Hürden des patriarchalischen Systems und beschloss, physisch und psychisch erschöpft wie sie war, sich dem Buddhismus zu widmen. Sie bat Kim Il-yeop, ein gutes Wort für sie bei Mönch Mangong (1871-1946), dem Abt des Tempels Sudeok-sa, einzulegen. Dieser lehnte jedoch rundheraus ab mit der Begründung, dass „Na Hye-sok nicht dazu geeignet sei“.

Aber Na, die nicht so leicht aufgeben wollte, verbrachte eine ganze Weile in Sudeok Yeogwan, das gleich vor dem Tor des Tempels lag. Allen Schwierigkeiten zum Trotz malte sie weiter und unterrichtete aspirierende Künstler. Sie besuchte auch den Tempel Haein-sa in Hapcheon und hielt die dortige Landschaft auf der Leinwand fest. Das Bild soll sie dem Hausherrn des vor dem Eingang von Haein-sa gelegenen Hongdo Yeogwan geschenkt haben. Nachdem Na die beiden Tempel und die beiden Yeogwan verlassen hatte, führte sie ein Nomandenleben, bis sie schließlich 1948 einsam – ihre Identität blieb unbekannt – in einem Krankenhaus im Seouler Stadtviertel Yongsan verstarb. Kim Il-yeop verschied 1917 im Tempel Sudeok-sa.

Während ihres Aufenthalts in Sudeok Yeogwan lernte Na den Maler Lee Ung-no (1904-1989) kennen. Lee, damals Mitte 30, entdeckte durch Na Hye-sok die Welt und die Kunst, woraus sich eine Sehnsucht nach der Romantik von Paris entwickelte. 1945 kaufte er Sudeok Yeogwan, um sich eine Erwerbsquelle zu sichern. Die geräumigen Zimmer eigneten sich als Künstlerateliers.

Lee Ung-no, der nach der Unabhängigkeit Koreas als Maler in Seoul gelebt hatte, suchte während des Koreakriegs Unterschlupf in Sudeok Yeogwan, wo er seine schöpferischen Aktivitäten weiterführte. Später meißelte er ideographische Schriftzeichen in einen breiten, flachen Felbsbrocken im Hof des Gasthauses. Dank seiner Experimente, die alle Genre- und Materialgrenzen sprengten, gilt Lee als Wegbereiter eines neuen Kapitels in der Kunstgeschichte Koreas. Seine abstrakten, ideographischen Werke, denen er sich seit Anfang der 1960er Jahr widmete, besaßen zunächst einen lyrischen Charakter, entwickelten sich mit der Zeit aber zu dreidimensionalen, geometrischen Kombinationen von Schriftzeichen. An den Gravuren auf den Felsen des Sudeok Yeogwan lässt sich der Fluss seiner gestalterischen Experimente ablesen.

 

Das traditionelle koreanische Hanok auf der Rückseite des Boseong Yeogwan verfügt über sieben, mit Ondol-Fußbodenheizung ausgestattete Räume.

Jo Jung-rae und Boseong Yeogwan
Der mehrbändige Roman Das Taebaek-Gebirge von Jo Jung-rae, der 1970 debütierte, zählt zu den Meisterwerken der modernen Literatur Koreas. Dieses 1983 in einer Literaturzeitschrift serialisierte Werk wurde von 1986 bis 1989 in zehn Bänden publiziert. Das Leben einfacher Menschen, die in der turbulenten Zeit zwischen 1948, drei Jahre nach der Unabhängigkeit Koreas, und 1953, als der Koreakrieg endete und die Teilung des Landes sich verfestigte, inmitten ideologischer Konflikte um ihre Existenz kämpften, wird auf dramatische Weise dargestellt.

In Band 3 heißt es an einer Stelle: „Wie könnt ihr, Strafexpedition-Soldaten mit dem Auftrag, die Rebellion zu unterdrücken und die Volksstimmung zu beruhigen, es wagen, in Zeiten wie diesen in einem Yeogwan zu schlafen und zu essen?!“ Im Roman trägt die Unterkunft, die der Polizeichef und seine Truppe nutzen, den Namen „Namdo Yeogwan“. Vorbild dafür war Boseong Yeogwan, das auch heute noch in der Gemeinde Beolgyo-eup, Kreis Boseong-gun, in der Provinz Jeollanam-do existiert.

Boseong Yeogwan wurde 1935 im belebten Zentrum von Beolgyo eröffnet, als sich dieser an der Südküste Koreas gelegene Ort während der Kolonialzeit als Verkehrsknotenpunkt florierte. Die Docks waren voller Schiffe und viele Japaner reisten durch diese Gegend, was den Handel zum Blühen brachte. Die Stadt quoll quasi über vor Geld und Menschen, aber auch vor Schlägern. Daher der Warnspruch: „Prahle in Beolgyo nie mit deinem Geld oder deinen Fäusten!“ Neben der Beolgyo-Bahnstation diente Boseong Yeogwan als eine zentrale Räumlichkeit der Gegend und wurde entsprechend stark frequentiert. Das Gasthaus, das auch nach der Unabhängigkeit weiterbetrieben wurde, schloss 1988 und wurde kurze Zeit als Laden genutzt.

Jo Jung-rae stammt aus dem ganz in der Nähe von Beolgyo gelegenen Suncheon. In seinem Roman, der auf den tragischen Konflikten seines Heimatortes und der umgebenden Region beruht, schildert er verschiedene bekannte Orte von Beolgyo. Als das Werk zu einem Bestseller wurde, mehrten sich die Stimmen, dass Boseong Yeogwan erhalten und als Gasthaus genutzt werden sollte. Dementsprechend wurde es 2004 in die Liste der eingetragenen Kulturgüter aufgenommen, 2008 schließlich vom Amt für Kulturerbeverwaltung (Cultural Heritage Administration) erworben, renoviert und restauriert und 2012 als Kulturkomplex neu eröffnet. Boseong Yeogwan, das u. a. eine Galerie, ein Theater, ein Café und Unterkünfte umfasst, hat sich inzwischen zu einer beliebten Touristenattraktion in der Region entwickelt.

Lee Kwang-pyo Professor an der Seowon University
Fotos Lee Min-hee

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