Hangeul ist nicht nur ein Mittel der Kommunikation, sondern auch eine beliebte Quelle kreativer Inspirationen. Die Zeichen finden Anwendung als Designmotive für Möbel, Kleidung und andere Alltagsgegenstände. Statt sie einfach formgetreu zu übernehmen, experimentierten viele Designer damit, das ursprüngliche Konzept und die dem Hangeul inhärenten Strukturen nicht nur für künstlerische, sondern auch für praktische Zwecke zu adaptieren.

Das National Hangeul Museum, das 2014 auf dem Gelände des Koreanischen Nationalmuseums in Yongsan, Seoul, eröffnet wurde, führt solche designerischen Bestrebungen durch Planung und Durchführung von Sonderausstellungen zu Hangeul-bezogenen Themen und Motiven an. Eine Auswahl dieser Arbeiten gibt Einblick in das Potential des koreanischen Alphabets als Quelle für die bildende Kunst.

Activity Flooring. Park Chul-hee, Yoo Hye-mi. 2019. Sperrholz aus Lauan. Jeweils 400×400 mm.In einem traditionellen koreanischen Hanok-Haus dient die im Zentrum des Hanok gelegene Holzdiele Maru als Verbindung zwischen den Zimmern und als Ort der Kommunikation, wo sich die Familie zum Essen und Unterhalten trifft. Struktur und Funktion dieses Gemeinschaftsraums wurden auf das Gestaltungsprinzip der Hangeul-Silben, die jeweils aus einem Quadrat aus Vokalen und Konsonanten bestehen, übertragen. Die Sperrholzplatten-Module aus Vokalen und Konsonanten weisen vertikale Maserungen auf, während die Leerstellen durch horizontal gemaserte Platten dargestellt werden, eine Kombination, die visuelle Unverwechselbarkeit garantiert. Außerdem wurden die Muster so gefertigt, dass je nach Anordnung der Platten Kreise oder Kreisbögen entstehen. Das Werk ist ein Produkt der Kolloboration des Grafikdesigners Park Chul-hee mit der Möbeldesignerin Yoo Hye-mi.

Hangeul Cabinet. Ha Ji-hoon. 2016. Eichenholz, verchromtes Polycarbonat. Oben 1.050×350×1.420 mm (BTH). Unten (von links) 1.450×400×370 mm; 370×420×1.535 mm (BTH).Jangseok, die dekorativen Metallbeschläge traditioneller koreanischer Holzmöbel, schützen nicht nur Scharniere oder Kanten und Ecken, sie dienen auch der Verstärkung der Öffnungs- und Verschlussteile. Die Möbelstücke sind mit Jangseok in Form von Hangeul-Vokalen und Konsonanten versehen, wobei die stilisierten Punkte und Linien der Zeichen die dem Hangeul eigene originäre Ordnung und seine Regeln ästhetisch zum Ausdruck bringen. Ha Ji-hoon ist ein Möbeldesigner, der traditionelle Motive modern interpretiert.

Neo Modern. Im Seon-oc. 2019.Hangeul-Buchstaben wurden graphisch in dreidimensionale Formen gebracht und auf Stoff gedruckt. Die Buchstaben sind von Natur aus äußerst flexibel erweiterbar, sodass sich z. B.der Konsonant ㄱ durch Umdrehen in den Konsonanten ㄴ verwandeln kann, durch Hinzufügen eines Strichs wird daraus der Konsonant ㄷ. Bei dem Design wurde diese Einsatzflexibilität genutzt, sodass sich die einzelnen Kleidungsstücke je nach Kombination unterschiedlich stylen lassen. PARTsPARTs ist eine Modemarke der Designerin Im Seon-oc, die Kleidungsstücke als Moduleinheiten betrachtet, ein Designansatz, der auch auf diese Outfits angewendet wurde.

Hangeul Framework. TIEL. 2019.Das Designstudio TIEL hat Quader hergestellt, die das Strukturprinzip der Silbenblöcke des Hangeul, das endlose Kombinationen aus Konsonanten und Vokalen ermöglicht, hervorheben. Dabei wurden die Quader aus unterschiedlichen Farben und Materialien gefertigt, sodass durch ihre Zusammensetzung zu einem Silbenblock aus einem ersten, einem mittleren und einem letzten Graphem Harmonie und Kontrast vermittelt wird. Das Designstudio TIEL wird von Lee Joong-han und Charlotte Therere gemeinsam betrieben und widmet sich hauptsächlich dem modularen Design.

10 Hangeul Unit. Song Bong-kyu. 2016. ABS, Walnussholz, Aluminium.180×180×180 mm (jeweils BTH).Dieses Exponat stellt ebenfalls das Prinzip des Aneinanderstellens der Buchstaben von Hangeul visuell dar. Die zehn Blöcke, die jeweils für einen Vokal oder Konsonant stehen und mit 3D-Werkzeugen gefertigt sind, wurden aus unterschiedlichen Materialien geformt, was den einzelnen Buchstaben sinnlichen Ausdruck verleiht. Das Werk bietet eine spielerische Möglichkeit, die Prinzipien des koreanischen Alphabets zu verstehen. Industriedesigner Song Bong-gyu strebt stets nach einem Einklang von Kreativität und Praktikabilität.

The Living Room of Vowels and Consonants. Park Kil-jong. 2019. Pulverbeschichtung auf Metall, Glühbirnen, Acrylkunststoff. Größe verstellbar.Mit 14 Konsonanten und 10 Vokalen besteht das moderne Hangeul-Alphabet heute zwar aus 24 Buchstaben, sein Vorläufer, das Hunminjeongeum, wurde aber im 15. Jh. mit ursprünglich 28 Buchstaben geschaffen. Park Kil-jong, der vom Hunminjeongeum begeistert ist, fertigte die hier gezeigten Stühle, Tische und Kleiderständer in Anlehnung an diese Grundformen. Als Möbeldesigner ist Park bekannt für Entwürfe, die Praktisches gekonnt mit Esprit verbinden.

Kombination aus Vokalen und Konsonanten. Seo Jeong-hwa. 2019. Eichenholz, Messing, Basalt, Harz, Acryl, Glas.
➊ Glaslampe 200×200×400 mm (BTH)
➋ Bank 1800×600×400 mm (BTH)
➌ Stuhl 600×400×600 mm (BTH)
➍ Lange Glaslampe 200×200×700 mm (BTH)
➎ Harzlampe 1.400×150×400 mm (BTH)
➏ Basaltlampe 200×500×500 mm (BTH).
Diese schlichte Möbelkollektion spiegelt den pragmatischen Geist hinter der Entwicklung von Hangeul wider: wie z. B. bei den Lampen, bei denen die Glühbirnen für die Konsonanten und die Stangen für die Vokale stehen, wurden hier die Konsonanten und Vokale in unterschiedlichen Größen, Proportionen und Materialien variierend auf alltagstaugliche Möbel angewandt. Seo Jeong-hwa ist ein Möbeldesigner, der die Nutzung von Formen, Strukturen und Materialien intensiv erforscht.